Sunday, October 26, 2008

Leute sterben

Heute ist österreichischer Nationalfeiertag. Der ist, wenn er nicht gerade wie heuer auf einen Sonntag fällt, frei. Wenn der Nationalfeiertag günstig fällt, kommt manchmal sogar so etwas wie Miniferien heraus, denn der 1. und 2. November, also Allerheiligen und Allerseelen, sind in Österreich auch schulfrei. Als Lehrerkind weiss ich wovon ich rede.

Allerheiligen in Österreich ist ein ernstzunehemender Feiertag und hat nichts mit dem angelsächsischen Halloween zu tun, denn der Österreicher ist ernsthaft morbid und das hat nichts mit Kürbissen zu tun. Zu Allerheiligen geht man auf dem Friedhof und die Blaskapelle spielt. Im besten Fall ist es nebelig und die Großbäuerinnen aus dem Nachbardorf in dem sich das Fest'sche Familiengrab befindet hoffen inständig, dass es auch kalt ist damit sie den neuen Pelzmantel ausführen können. PETA hat es bis jetzt nämlich nicht in die Obersteiermark geschafft.

Da dieses Fest nun also naht, ist es nur passend dass im Vorfeld Menschen sterben. Aber was mir auffällt ist, dass es hauptsächlich meine Kindheit ist, die stirbt. Da ist z.B. Helmut Zilk, der eigentlich immer der Bürgermeister von Wien war, auch als er schon längst in Pension war. Er war mit einer ziemlich exzentrischen Operetten-Sängerin verheiratet und schrieb für die Kronenzeitung, aber das war schon in Ordnung so.
Auch Brigitte Xander ist von uns gegangen. Von Frau Xander kannte ich hauptsächlich die Frisur und die Stimme, denn sie moderierte denn Ö3 Wecker als ich zur Volksschule ging und morgendlich mit meiner Mutter darüber diskutierte, ob ein Heißgetränk als Vorbereiung für den Tag denn wirklich nötig sei.
Bei den Todesmeldungen von Zilk und Xander musste ich seufzen und an meine eigene Sterblichkeit denken, aber in einer tröstlichen und sanften Art und Weise.

Aber natürlich gab es dann noch den Übertod vor ein paar Wochen als Österreichs Lady Di/James Dean/Nineeleven sich alkoholisiert ins Jenseits beförderte. Da dachte ich nicht an meine eigene Sterblichkeit. Aber trotzdem war auch er ein Teil meiner Vergangenheit. Die Abneigung Herrn Haider gegenüber darf man nämlich nicht unterschätzen in ihrer Rolle als sozialer Kitt. Seit ich ein halbwegs politischer Mensch bin, habe ich mich darüber identifiziert. Freunde und anständige Menschen habe ich daran erkannt, dass sie auch Gift und Galle zu spucken begannen, wenn man den Namen Jörg erwähnte. Und als die Todesnachricht kam, war ich einen Moment etwas orientierungslos, denn wie sollte ich jetzt gute und böse Menschen unterscheiden. Gott sei Dank, scheint sich jetzt aber ein neues Paradigma gebildet zu haben: Leute mit denen man zu tun haben möchte, machen Witze über Haider. Das finde ich tröstlich.
Dem entsprechend auch zwei nette Videos. Das erste ist kein Scherz, sondern ein echtes Interview mit Haiders Pressesprecher/Nachfolger/"Nebenwitwe" Stefan Petzner (die letzte Bezeichnung stammt vom österreichischen Journalisten Robert Misik, der auch ein sehr schönes und informatives blog führt):



Das nächste ist ein Ausschnitt aus der Show von Stermann und Griesemann, die man vielleicht von ihrem Kommentar zu dem legendären Österreich-Deutschland-Spiel 1978 in Cordoba kennt:



Und für alle die es weniger lustig, dafür literarisch mögen: ein relativ vorhersehbarer Text zu Haiders Tod von Elfriede Jelinek, die ja das Vergnügen hatte, auf Wahlplakaten der FPÖ vorzukommen.

2 comments:

Demonic Tutor said...

Dein Text ist auf jeden Fall besser als die Videos, sehr lustig sogar. Leider fehlt in der ersten Zeile des dritten Abschnitts ein Komma... ;)

Kerstin said...

Du bist wie mein Vater! Der ist auch Deutschlehrer und findet meine Zeichensetzung grauenhaft.