Monday, September 1, 2008

Amerikanische Politik

Ich hatte den Verdacht ja schon einige Zeit und er scheint sich zu bestätigen: Hier in Europa fängt uns der amerikanische Wahlkampf an ein bisschen zu langweilen. Das mag an dem unsäglich langwierigen Vorwahlkampf liegen, den wir ja hier nicht so kennen.

Um uns abzulenken, besinnen wir uns auf unsere angeborene europäische Überlegenheit und so bemerke ich seit einiger Zeit in den Medien einen Trend, der sich in den folgenden Worten zusammenfassen lässt: "Wir finden Obama und seine Frau ja ganz toll, aber seine Wähler sind halt trotzdem hässliche und ungebildete Amerikaner." Ein schönes Beispiel findet sich in der heutigen Sunday Times, in der AA Gill seine Erlebnisse vom demokratischen Parteitag beschreibt. Nun wird Herr Gill seiner bissigen Art wegen von mir eigentlich sehr geschätzt, aber beim Lesen des Artikels vermischte sich meine Belustigung dann aber doch mit ein bisschen schlechtem Gewissen. Denn Herr Gill machte so ziemlich genau die Witze, die ich wohl auch gemacht hätte und diese Witze sind schlicht und ergreifend einfach zu einfach zu machen. Wir wissen doch schon längst, dass es in den Staaten viele Menschen mit Gewichtsproblemen gibt und wer wie ich in touristisch gut erschlossenen Gebieten wie Irland und Salzburg gelebt hat, kann auch bestätigen, dass sich viele amerikanische Gäste, völlig unabhängig von ihrem Körpertyp, nicht unbedingt modisch hervortun (wobei ihnen englischsprachige Europäer aber auch nicht unbedingt etwas voraus haben in dieser Beziehung …). Aber in einem zweiseitigen Artikel immer und immer wieder dazu zurück zu kommen, dass Amerikaner fett und schlecht gekleidet sind, ist dann doch ein bisschen zu wenig.

Andererseits hat der Artikel auch seine Höhepunkte. Gills Zusammenfassung der demokratischen "rags to riches"-Geschichten und den Vergleich der Clintons mit Siegfried und Roys weißen Tigern sind wirklich lustig.

Aber warum diese, wie ich meine sehr typisch europäische, Reaktion gegenüber amerikanischer Emotionalität? Ich teile Gills Gefühle da und ich muss gestehen sie sind eine Mischung aus Unverständnis, Überlegenheitsgefühl und zu einem nicht kleinen Teil Neid. Dasselbe Gefühl habe ich wenn ich mit glücklichen, religiösen Menschen spreche, denn ich stelle es mir sehr schön vor, einfach an etwas zu glauben und etwas total toll zu finden. Und es ärgert mich, dass ich das einfach nicht kann und mir eine Riesenportion persönlich und kulturell bedingter Sarkasmus im Weg steht. Man betrachte allein die Frage des Glücks: Der Amerikaner hat ein in der Verfassung verankertes Recht das Glück zu verfolgen und ich nehme stark an, dass da durchaus die Möglichkeit mitgedacht ist, das Glück auch zu erwischen. In Österreich jedoch ist das Glück einem Sprichwort zufolge ein Vogerl, dessen wichtigste Eigenschaft im unberechenbaren Fortfliegen liegt. Und wenn es bei uns Wahlen gibt, denkt man sofort an so Dinge wie "das kleinere Übel" und die "Krot" (Kröte), die man bekanntlich schlucken muss. In Amerika wird die Kröte ziemlich geschickt negiert und sogar intelligenten Menschen ist es erlaubt, jemanden oder etwas einfach nur super zu finden. Gleichzeitig aber möchte ich um nichts auf der Welt auf meinen Sarkasmus verzichten, und deshalb macht man dann die oben erwähnten billigen Witze.

Die Witze sind aber auch deshalb so billig, weil es uns die Amerikaner so leicht machen. Das beweist McCains Wahl seiner Laufkollegin: Sarah Palin mag keine Abtreibung, dafür die National Rifle Association, isst gerne Elchburger, hat ein Grizzlyfell im Büro und will auch die niedlichen Eisbären nicht schützen. Eines ihrer Kinder heißt wie eine südenglische Stadt (Bristol, obwohl Southend doch auch hübsch wäre – da ist er wieder, der einfache, billige Witz!), ein anderes Kind muss bald in den Irak und da ist ihr aufgefallen, dass Außenpolitik und Krieg auch normale Amerikaner betreffen. Und bevor sie Politikerin wurde, war sie Vorbeterin des Christian Fellowship of Athletes in der Schule und Kandidatin bei Misswahlen. Da hat man als zynischer Mensch ja wirklich keine Chance…

1 comment:

Anonymous said...

Manche Formulierung finde ich irgendwie etwas unverständlich. Z.B. "Personal life stories of the Oprah type become the leitmotif of the conference."
Aber irgendwie macht mich das trotzdem schmunzeln.

Das ganze liest sich halt wie ein persönlicher Erfahrungsbericht. Und vielleicht hat er tatsächlich viele Dicke erfahren und nur wenig Dünne...