Tuesday, September 2, 2008

Kerstin erwirbt sich einen Ruf und gibt ungefragt Ratschläge

Die Anglistikchefin hier hat mir gerade angesichts meines entzückenden Kleidchens am Damenklo gesagt, dass ich ja immer so elegant sei. Ein Kollege aus dem French Department erzählt seinen Freunden gerne, dass er (unter anderem) meine Schuhe gut findet. Man sieht also, ich bin auf dem besten Weg, die universitäre Stilikone zu werden. Zugegebenermaßen ist das hierzulande nicht schwierig, denn die Irinnen sind zum größten Teil eine etwas missglückte Mischung aus britischen und amerikanischen Stilsünden kombiniert mit viel rosa. Trotzdem freut es einen natürlich, wenn das eigene Äußere Fans hat und damit dass anderen Leuten auch so geht, habe ich mich entschlossen, hier jetzt Stylingtipps zu geben. Den Drang dazu verspüre ich oft, aber unaufgefordert Leuten Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten, ist dann doch ein bißchen riskant, vor allem wenn sie größer sind als man selber…

Darum nehme ich die hier schon angesprochene Frau Palin auch nur zum Anlass für ein paar allgemeine Bemerkungen und nicht als konkrete Fallstudie. Auch ist es mir egal, ob sie oder Portsmouth oder MacCain selber schwanger ist. Bevor nämlich die Schwangerschaftsgeschichten anfingen, stand dieser Kommentar in der New York Times, in dem es unter anderem um Frau Palins Aussehen geht. Auf die Frage, ob ihr adrettes Äußeres denn auch manchmal ein Nachteil sei, antwortet sie wie folgt: “A reporter once asked me about it during the campaign, and I assured him I was trying to be as frumpy as I could by wearing my hair on top of my head and these schoolmarm glasses.” Ha, rief ich aus als ich das las, denn wirklich das erste was mir an Frau Palin auffiel, war ihren Brillen. Und die sind keine “schoolmarm glasses” sondern die randlosen Brille einer Frau, die nicht zu ihrer Brille steht.

Ich bin kein Fan dieser randlosen Dinger. Meiner Meinung sind sie vergleichbar mit Bhs mit durchsichtigen Plastikträgern. Diese Träger sind natürlich nicht unsichtbar, sondern sehen einfach blöd aus. Je nach Outfit (und Oberweite) muss man sich nämlich entscheiden: Entweder kein Bh oder ein trägerloser oder die etwas riskante Variante mit sichtbaren Bh-Trägern. Genau das selbe Phänomen kann man bei den randlosen Brillen beobachten: Sie sind ein Ergebnis des Wunsches, dass die ungeliebte Sehhilfe unsichtbar wäre, dass das Gesicht möglichst unverstellt zur Geltung komme. Aber dazu gibt es Kontaktlinsen! Die randlose Brille, die wirklich nur wenigen steht, ist ein ungutes Mittelding. Entweder man steht zu seiner Brille oder man trägt Kontaktlinsen.

Entscheidet man sich für die Brille, hat das natürlich auf Konsequenzen für den Rest des Stylings. Frau Palin ist hier wieder ein gutes Beispiel: Locker aufgestecktes Haar ist absolut kein Brillen-Styling. Brille braucht etwas eleganteres oder originelleres, etwas, was im anglophonen Bereich im weitesten Sinne als “edgy” bezeichnet wird. Frau Palin ist das nicht. Lange Haar bei Frauen über 35 sind ein Kapitel für sich, aber ihr steht es durchaus, nur passt eben die Brille nicht zu “mädchenhaft” und “conventionally pretty”. Diese Adjektiva meine ich zur Abwechslung im Moment gar nicht negativ, sondern benutze sie nur zur Beschreibung eines Stiles, den man dann aber auch durchziehen sollte und die randlose Brille wirkt in diesem Kontext halt wie ein halbherziger Kompromiss.

Dorothy Parker schrieb einst das schöne und kurze Gedicht “Boys seldom make passes at girls who wear glasses” und häßliche Entlein in Funk und Fernsehen tragen auch immer Brillen. Das traumatisiert natürlich und randlose Brillen sind das Resultat. Deshalb kann ich nur wiederholen: Zur Brille und ihren Rändern stehen oder Kontaktlinsen tragen!

Dass keiner einen anbaggert, wenn man Brillen trägt, ist übrigens auch nicht wahr. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es einfach andere Männer sind. Meine heißgeliebte und leider verloren gegangene und nicht mehr hergestellte schwarz-pinke Brille erweckte durchwegs positives männliches Echo. Hier kann ich auch gleich einen guten Tipp an die männliche Leserschaft hinzufügen: Komplimente zur gutausgesuchten Brille kommen gut an! Wie alle Komplimente, die nur ein bißchen originell sind. Da steht man nämlich gleich als wohltuend andersartiger Mann da. Den gleichen Eindruck kann man schinden, wenn eine Antwort auf die Frage welchen Frauentyp man gut findet gefordert wird. Nicht gleich losplappern, sondern überlegen, welche Frauen Frauen gefallen und vielleicht auch noch, wer denn das aussehenstechnische Vorbild der fragenden Dame sein könnte, und dann dementsprechend antworten. Das ist simpel, aber kann funktionieren. Ich selbst stürzte mich vor Jahren in eine unglückliche Affäre, nur weil der junge Mann meinte, er fände Juliette Binoche gut. Ein äußerst liebenswerter ehemaliger Kollege von mir wurde andererseits von mir und einer Kollegin fast verprügelt, nur weil er nichts ahnend zugab, Audrey Hepburn nicht schön zu finden. Da sieht man es wieder…

Die Kollegen von der Times scheinen ähnliche Interessen wie ich zu haben. Hier ihre Analyse von Sarah Palins Aussehen.

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