Saturday, July 5, 2008

Sport, Literatur und Nation

Seit kurzem gibt es einen Fernsehspot hier in Irland, der sich ganz wunderbar für eine Diskussion über Postkolonialismus und die Idee der Nation eignen würde.
Es handelt sich um eine Einschaltung der Gaelic Athletic Association. Die GAA kümmert sich hier in Irland um all die lustigen Sportarten, die man nirgendwo sonst betreibt und die unter anderem dieses Land so liebenswert machen. Aber die GAA hat oder hatte auch einen politischen Hintergrund. 1884 gegründet war sie immer stark der irischen Nationalbewegung verbunden und die irischen Sportarten sollten natürlich eine Identifikation mit einer spezifisch irischen Identität unterstützen (im Gegensatz zu so britischen Sportarten wie Rugby und normalem Fußball). 1939 musste gar der irische Präsident Douglas Hyde als GAA-Funktionär zurücktreten, weil er bei einem normalen Fußballspiel war. (Okay, das habe ich aus Wikipedia, aber es ist Wochenende, da bin ich faul). Und 2007 gab es einige Aufregung, weil die GAA erstmals erlaubt hat, dass Fußball- und Rugbymatches (darunter ein Ländermatch gegen England) in Croke Park stattfinden. Croke Park ist historisch und national höchst aufgeladen, weil 1920 britische Truppen bei einem Spiel in die Zuschauermenge feuerten und 14 Menschen starben.
Vor diesem Hintergrund wundert es mich nun ein wenig, dass die GAA in der Werbung für die neue Saison nun einen Sprecher mit starkem irischen Akzent Rudyard Kiplings Gedicht "If" zitieren lässt. Ich verstehe durchaus, dass das ein Gedicht ist, das eine Art von Stolz, Kampfgeist und Maskulinität ausdrückt, die gut zum Mannschaftssport passt. Aber es ist von Kipling, der der größte Spin-Doctor des Empires überhaupt war. Die geneigte Leserschaft möge sich an Gedichte wie "The White Man's Burden" und "The Glory of the Garden" erinnern. Und "The English Flag", wo es darum geht, dass der Union Jack auf der ganzen Welt flattert, schrieb er als Reaktion als irische Nationalisten hier in Cork die englische Flagge verbrannten.
Ich frage mich nun, ob die GAA das nicht weiß und "If" einfach schön findet oder ob sie auch versucht, Sport völlig von politischen (und nationalen) Diskursen zu lösen (oder zu mindestens so zu tun), was ja angeblich in Deutschland zur WM so wunderbar funktioniert hat (hier ein Artikel aus der Zeit, der das etwas in Frage stellt). Was wiederum zu der Frage führt, ob Sport und Literatur und auch sonst alles überhaupt jemals losgelöst von anderen Diskursen betrachtet werden kann. Ach, wie schade, dass Ferien sind und ich nicht mehr Literatur unterrichten darf, dass wäre doch ein Spitzenaufhänger für eine Stunde.

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