Tuesday, August 12, 2008

Geek chic

Ich bin ja eigentlich sehr faul, aber wie wir alle wissen, muss der Mensch heutzutage arbeiten. Deshalb habe ich mittlerweile sehr ausgeklügelte Selbstbetrugsstrategien entwickelt, mit deren Hilfe ich mich geschickt vor dem drücke, was ich eigentlich tun sollte. Auf dem Sofa liegen und in die Luft starren, anstatt einen Aufsatz zu schreiben ist Prokrastinieren für Anfänger. Ich, hingegen, fange an, mich quasi wissenschaftlich mit etwas zu befassen, was absolut gar nichts mit dem zu tun hat, über das ich eigentlich nachdenken sollte. Die gute alte UB in Freiburg war mir da immer eine große Hilfe, weil da ja oft die interessantesten fachfremden Bücher neben denen standen, die ich eigentlich brauchte. Auf diese Weise habe ich mehr Kenntnisse zu so schönen Themen wie Marienerscheinungen, Besessenheit und Teufelsaustreibungen erworben, als der durchschnittliche atheistische Mensch braucht. Und wenn es ein wissenschaftliches Buch ist, kann es doch gar keine totale Zeitverschwendung sein, oder? Super Strategie also...

Gestern wollte ich wieder einmal nicht arbeiten, darum machte hier an der Uni einen Einkaufsbummel. Das ist zwar nicht sonderlich spannend, denn es gibt nur einen Schreibwarenladen, eine Buchhandlung und eine Art corner shop, aber wer mich kennt, weiss, ich finde immer was. Und gestern fand ich dieses Buch, Geek Chic: Smart Women in Popular Culture. Das könnte auch in der UB sein, dachte ich mir, und kaufte es auch, denn das ist ja auch ein unterhaltsames Thema. Und, hey presto, ich konnte wieder einen Nachmittag prokrastinieren und trotzdem akademisch wirken (vor allem mir selbst gegenüber).

Die Aufsätze in dem Sammelband sind durchwachsen. Viele leiden unter dem, was ich das "cultural studies"-Syndrom nennen würde und sich folgend zusammenfassen lässt: "Ich gucke meine Lieblingsserie und sag was über Foucault." Nicht sehr spannend also und es untermauert das ungute Gefühl, dass Cultural Studies ein bißchen die soft option ist. Auch gibt es vieles über Serien, die nur in den USA gelaufen sind und die ich deshalb nicht kenne. Andererseits ist es aber auch sehr schön, wieder an Dinge wie Daria erinnert zu werden (ich liebe diese Serie und gegen Daria wirken Lisa Simpson und Hermione Granger wie Barbies! Man darf mir also gerne das Video schenken).

Das eigentlich interessante an dem Sammelband ist aber eine gewisse innere Spannung. Die Einleitung ist gutes altes Establishment-bashing, wie ich es in dieser Reinform schon lange nicht mehr gelesen habe. Der Tenor ist, dass wir (die weiblichen Zuseher) dahingehend manipuliert werden, lieber die schöne aber dumme (und meistens blonde und langhaarige) Heldin sein zu wollen und nicht deren kluge aber meistens Brille tragende und kurzhaarige, also nicht so attraktive Freundin. Die Manipulation gehe so weit, dass wir uns kluge attraktive Frauen nur schwer vorstellen können, weil das schon beinahe lächerlich wäre. Das Beispiel der Herausgeberin ist etwas schlecht gewählt: Sie meint, dass es seltsam wäre, wenn die Pamela Anderson-Rolle in Baywatch im Hauptberuf Molekularbiologin wäre, was meiner Meinung in einer noch seltsameren Serie resultieren würde, als es Baywatch schon ist. Man möchte also meinen, dass es dem Buch darum geht, dass Frauen nicht immer als Dekorationsobjekte gesehen werden. So weit, so gut and second-wave feminist (wenn auch nicht sonderlich spannend).

In den Beiträgen allerdings scheint eine andere Meinung zu herrschen. Da geht es unterschwellig darum, dass man klug und attraktiv sein kann und darf. Das geht so weit, dass es in einem Beitrag Fotos von Frauen gibt, die im IT Bereich tätig sind und (trotzdem) gut aussehen. Jetzt sehe ich ja gerne auch gut aus und bin klug, aber ich frage mich, ob da nicht die, in der Einleitung ja beklagte, Wichtigkeit der konventionellen Attraktivität (und es geht immer implizit um "conventionally pretty") eigentlich unterstützt wird. Also, eine positive weibliche Identitfikationsfigur sollte klug und schön sein. Fairerweise sollte aber auch gesagt werden, dass es relativ wenige nicht attraktive männliche Helden gibt.

Ein weiterer Punkt ist, dass Klugheit (immer im Sinne von akademisch erfolgreich) prinzipiell dem IT-Bereich und den Naturwissenschaften zugerechnet wird. Das birgt natürlich eine gewisse dramaturgische Spannung in fiktiven Texten, weil es dort weniger Frauen gibt, aber auch hier könnte man eine gewisse Untermauerung potentiell patriarchaler Stereotype orten. Terry Eagleton beschreibt in Literary Theory: An Introduction sehr unterhaltsam, wenn auch tendenziös, die Entwicklung von Englischer Literatur als akademisches Fach. Dabei spricht er von English Studies, die sich ja erst Ende des 19. Jahrhundert als Fach etabliert haben, als "the poor man's Classics" (27) und "a convenient sort of non-subject to palm off the ladies" (28), als ein Fach also, mit dessen Hilfe man das Verlangen der aufmüpfigen Massen nach akademischer Bildung stillen kann und sie trotzdem aus dem Bereichen die wirklich zählen raushalten kann. Heutzutage, ist Classics natürlich nicht mehr der große Renner, aber eben IT und Naturwissenschaften. Daraus folgt, dass wahre weibliche Subversivität anscheinend nicht allein darin liegt, klug zu sein, sondern in männlich konnotierten Bereichen klug zu sein und auch, dass Fächer in denen Frauen, aus welchen Gründen auch immer, stärker vertreten sind, weniger wert sind.

Was, aber, sagt mir das als Geisteswissenschaftlerin? Habe ich die leichtere Möglichkeit gewählt und die feministische Schwesternschaft verraten? Oder sind wir generell weniger intelligent als die KollegInnen in den Naturwissenschaften?

Wie gesagt, ein durchwachsenes Buch, aber trotzdem lesenswert, wenn man sich mal nicht zu offensichtlich vor der Arbeit drücken will.
Ich wollte eigentlich noch von meinen Erfahrungen als notorisch eitle Person an der Uni sprechen (die auch, wie ich meine, rein optisch nicht unbedingt dem 'geek chic' entspricht), aber das mache ich ein anderes Mal.

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