Monday, August 18, 2008

Und tief durchatmen

Ich habe nichts gegen junge Menschen. Im Gegenteil, ich wäre gerne selber einer. Und die meiste Zeit habe ich auch nichts gegen Studenten. Wenn es sie nicht gäbe, würde ich ja kein Gehalt kriegen. Manchmal jedoch, nur manchmal, wünschte ich, es bliebe ewig Juli oder August auf dem Campus, denn dann ist es ruhig da und menschenleer und man hat das Gefühl, tatsächlich an einem Ort des Geistes gelandet zu sein.

Aber es bleibt eben nicht immer Juli und August und bevor das eigentliche Semester anfängt, gibt es hier noch "autumn exams". Das ist natürlich ein Euphemismus für Wiederholungstermine für nicht beim ersten Mal bestandene Prüfungen. Jetzt habe ich natürlich tiefstes Verständnis dafür, dass es nicht immer klappen kann und dass es gute Gründe dafür gibt, wenn eine Prüfung mal daneben geht (obwohl es dieses Jahr überraschend häufig vorkam, dass Studenten ihren Termin falsch aufschrieben oder einfach so vergaßen...), aber manchmal muss ich dann doch an mich halten.

Heute morgen kriegte ich ein email von einem letztjährigen First Year-Studenten, der, wie es scheint nicht nur in meinem Kurs, sondern auch in den anderen Deutschkursen und in seinem Zweitfach ziemlich überall durchgefallen ist. Außerdem ist er zur mündlichen Prüfung im Sommer nicht erschienen und war in meinem Kurs außer der ersten Woche auch nicht anwesend. Jetzt hat der Gute aber etwas gelernt, denn jetzt hat er einen Nachhilfelehrer und der hat ihm erklärt, dass es gut wäre, wenn er die Mitschriften aus dem Literaturkurs hätte. "he finds it imperative that i have the notes on literature, poetry and film", schreibt mir der Student, nachdem er in der Anrede meinen Namen falsch buchstabiert hat, und ob ich ihm nicht meine lecture notes schicken könnte. Natürlich, möchte ich da antworten, oder ich könnte auch zu jedem Studenten nachhause kommen und ihm die Vorlesung als Wiegenlied vorsingen. Aber das darf ich natürlich nicht, denn unsere Studenten sind kostbare, zart besaitete Goldschätze mit denen man sorgsam umgehen muss und denen nur Freundlichkeit und Erfolgserlebnisse widerfahren sollen.

Wenigstens bin ich nicht allein in meinem Leid. Hier gibt es eine sehr unterhaltsame, wenn auch US-lastige Seite zu dem Thema.

3 comments:

Anonymous said...

Wieso war ich nie so dreist...?

Kerstin said...

Weil du zu klug, nett und wohlerzogen dazu bist!

AMEinhaus said...

Da muss ich doch spontan an die Wiederholungsprüfung denken, von der mir mein Mitbewohner Simon gestern erzählt und bei der er Prüfungsaufsicht geführt hat. Es war eine Sportwissenschaftsprüfung, die ausschließlich aus multiple choice-Fragen bestand und bei der man zum Beispiel auf einem Bild vom menschlichen Oberkörper bestimmte Muskelpartien einkringeln musste. Das traurig-erstaunliche daran ist, dass tatsächlich mehr als eine Person diese Prüfung wiederholen musste...